Warum dieses Buch, fragen Sie sich? „Shades of Grey“ haben Sie ja bereits komplett gelesen, alle drei Teile sogar! Was soll da also noch kommen?
Ja, sie haben ganz Recht - Leder, Lack und Latex sind mittlerweile Alltagskleidung, sogenannter „Lady Gaga“ Style, ganz ohne Dominastudio, Gerte und Straßenstrich. Die Welt ist klein geworden! Jeder kann sich heute in Magazinen, auf Millionen von Internetseiten oder gar in der Presse über das informieren, was gerne sensationsgeil als „die dunkle Seite der Erotik“ bezeichnet wird.
Der Begriff Sadomasochismus steht nicht nur verschämt im Duden, er ist gebräuchlich, weit ab von Szene, Hinterzimmer oder den Werken des Marquis de Sade. Jede „Vera am Mittag“ hatte ihn schon zu Gast, den brav neben seiner Herrin knienden, vollgummierten Sklaven. Jeder dritte Tatort ermittelt mittlerweile im Rotlichtmilieu, wozu da also noch ein Buch über Sadomasochismus und seine verschiedenen Lebensformen schreiben?
Zugegeben, als ich vor über zwanzig Jahren meine ersten Schritte in die Subkultur rund um SM, BDSM, Dominanz und Unterwerfung machte, gab es noch keine Britney „I`m a slave for you“ Spears. Es gab kein „Camel“ Maskottchen mit Peitsche, keinen „Strenge Herrin“ Klingelton fürs Handy und keine „Jackass“ MTV-Clowns, die sich für höhere Einschaltquoten vor der Kamera den Hintern von einer sadistisch grinsenden, blonden Domina versohlen lassen.
Natürlich bin ich für Offenheit, absolut sogar! Ich freue mich sehr darüber, dass Menschen mit ihren sexuellen Veranlagungen ein Stück weit offener umgehen können. Dennoch neige ich aber zu der Ansicht: Gott sei Dank, gab es all das damals noch nicht!
Obwohl oder gerade weil, das Thema BDSM nämlich fast allgegenwärtig geworden ist, birgt es für Interessierte auch Gefahren, wenn sie das öffentliche Zerrbild eines differenzierten Lebensstils für bare Münze nehmen.
Halbwahrheiten, Fantasien - die als Realität verkauft werden - und Fehlinformationen kursieren, was den spannenden Weg in eine „verbotene Welt“ statt in der Erfüllung von Sehnsüchten, schnell in einem absoluten Horrortrip oder gar Zusammenbruch enden lassen kann!
Für die Medien geht es schließlich um Einschaltquoten und Umsatzzahlen, da verkauft sich die „grausame Sadofolter“ auf dem Titelblatt eben besser, als das Ehepaar, welches seit 30 Jahren zusammenlebt, gemeinnützige Arbeit leistet, bei den Nachbarn beliebt ist, aber eben auch Handschellen, Peitsche und Knebel unter dem Ehebett liegen hat. Sex sells, money makes the world go round, wen kümmert da schon der Ausverkauf dessen, was einst Lebensgefühl, Zuflucht und Heimat einiger weniger war?
In der BDSM-Bibel geht es nicht darum, über Szenarios, spezielle Hilfsmittel oder „den besten Kick“ zu berichten. Wer Interesse an Praktiken und Sicherheitsvorkehrungen beim SM „Spielen“ hat, wen also nur interessiert, wo man am besten hinschlägt und wie man eine Sklavin am wirkungsvollsten fesselt, dem empfehle ich die Lektüre des weitverbreiteten „SM Handbuch“.
Nein, Ziel dieses Buchs ist es vielmehr, eine detaillierte Darstellung all dessen zu liefern, was unter dem Überbegriff BDSM tatsächlich gelebt wird. Von der zwanglosen Spielerei im Klub, über ausgedehnte Rollenspiele mit menschlichen Pferdchen und Hunden im Stadtpark, bis hin zur Versklavung als dauerhaften Beziehung zwischen sich liebenden Menschen.
Wie funktioniert das, sich zeitweise oder gar vollständig in die Hand eines anderen zu geben, worauf ist dabei zu achten, und will ich das alles überhaupt? Wie fühlt es sich an, am nächsten Morgen neben seiner „Herrin“ aufzuwachen, und kann ich dem Geliebten überhaupt noch in die Augen sehen, nachdem ich gestern „all das“ mit ihm gemacht habe? Was ist der Unterschied zwischen Sklavin, Bottom und Sub - was davon bin ich, und wie bringe ich diese neue Seite von mir bloß Eltern und Freunden nahe?
Neulinge sollen mit diesem Buch an die Hand genommen und hinein geführt werden in eine Welt, die spannend, faszinierend und ebenso erfüllend sein kann. Was verbirgt sich hinter diesem komischen GOR? Muss ich als devoter Mensch wirklich für alles offen sein, egal, was mein sogenannter Herr von mir verlangt, und wieso finden alle einen passenden Deckel, außer mir?
Die „Bibel“ soll all jenen eine Hilfe sein, die entweder ihren Platz noch nicht wirklich gefunden haben, bisher noch nicht in Berührung mit BDSM gekommen sind, oder einfach nie in der Lage waren, ihre Bedürfnisse, Träume und Wünsche klar definieren und artikulieren zu können!
Auf meinem Weg, der mich bis in eine 24/7 Beziehung in den USA und wieder zurück geführt hat, habe ich einiges gesehen und am eigenen Leib erfahren, was mir mit den richtigen Informationen vielleicht erspart geblieben wäre. Idee und Wirklichkeit liegen oft weit auseinander, und einige Vorstellungen bzw. Meinungen, die ich zu Beginn eben dieses Weges vehement vertrat, haben sich mit den Jahren gewandelt oder vielleicht gar überholt.
Natürlich erhebe ich hier keinen Anspruch darauf, den „goldenen Weg“ des BDSM für alle gefunden zu haben, denn zum Glück sind Menschen stets verschieden. Jeder wird etwas anderes suchen, brauchen oder begehren, und gerade in dem Teil des Buches, in dem es um Dominanz und Submission innerhalb einer Beziehung geht, definieren einzig die Partner selbst, wie weit es für Sie im „wirklichen Leben“ zusammen gehen soll und kann.
Hier soll Verständnis geschaffen werden, für all die verschiedenen Veranlagungen und Ausprägungen einer Kultur, die mehr zu bieten hat, als geschnürte Lackkorsagen, Hochglanzfotos und Kasernenton.
Allgemeingültige Begriffe und Regeln, die beachtet bzw. nicht gebrochen werden dürfen, werden im Rahmen dieses Taschenbuches vermittelt, damit BDSM in all seinen Facetten für alle Beteiligten das ist, was es sein sollte: Eine Bereicherung und Quelle von Lebensfreude!
Ich wünsche viel Spaß bei der Lektüre und hoffe, mein Buch wird Ihnen ein nützlicher Begleiter auf Ihrem ganz persönlichen Weg sein.
Tim Sodermanns, Berlin im Mai 2016
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Inhaltsangabe:
Prolog
Safe Sane Consensual
Legal, illegal, scheißegal?
Begriffsdefinitionen
SM, BDSM, D/s
Top, Bottom, Sadist, Switch
Her/in, Sklave, Domme, Sub
Domina, Dominatrix, Dominus
Fetischist, Swinger, Stino, Pet
Internet
Nickname
Internet als „online Universität“?
Onlinebeziehungen und Sucht
Kontaktanzeigen, Checklisten
Professionelles im Internet
BDSM
Autoerotische Spiele
Schritt in die „Öffentlichkeit“
Safecall, Covern, das erste Treffen
Safeword, Sicherheit im Scening
Das Scening
Auffangen, Nachsorge
BDSM und Beziehung
„Ruf mich an!“, professioneller BDSM
Other World Kingdom, O.W.K.
D/S, Dominanz und Submission
Was ist eine D/s?
Dom entscheidet zum Wohle beider?
Dom und Sub, der perfekte Mensch?
D/s und alles wird gut?
Dom ist, oder vielmehr, er hat zu sein
Sub und die freie Meinungsäußerung
Verlustangst, Angst Nähe zuzulassen
D/s als Psychotherapie?
BDSM in der D/s?
D/s und Alltag, ist 24/7 möglich?
Verträge, Collars und „Konsorten“
Die Kehrseite der Medaille, der Absturz
Versklavung, TPE
Versklavung als Liebesbeziehung?
Versklavung als Liebesbeziehung!
D/s vs. Versklavung
Eigenverantwortung und Hörigkeit
GOR
Gesellschaft, Kaste, Kultur
Sklavinnen und Sklaven
GOR online
GOR in der Realität
Polygamie
Sexuelle Polygamie und BDSM
Polygamie und kinky vanilla
Sexuelle Polygamie und D/s
Cuckolding und Sissyfication
Polygame D/s Beziehungen
Outing
Epilog
Checklisten
BDSM Checkliste
D/s Checkliste
Collars
Consideration Collar
Trainings Collar
Full oder Slave Collar
Protection Collar
Internetseiten
Literaturliste